Die Radolfzeller Altstadt und Ihr Hexenturm beim Grienen Winkel

Die Bebauung des Grienen Winkels besteht bis heute aus Resten einer alten Bauern- und Fischersiedlung aus den Anfängen des 18. Jahrhunderts. Die sogenannte Villa Windschief wurde bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtet. Für das Wort grien gibt es verschiedene Erklärungen - zum einen soll das Wort grien an das Weinen (Grienen) der, der Hexerei verdächtigten Personen erinnern, welche zu der damaligen Zeit in dem dreigeschossigen Hexenturm eingekerkert waren. Hexen oder auch Hexenverfolgungen und Hexenprozesse lassen sich jedoch für Radolfzell nicht belegen. Auch von besonderem Aberglauben finden sich in der Radolfzeller Geschichte keine Spuren. Man hatte aber wohl auch in Radolfzell, die in den früheren Jahrhunderten allgemein anhaltenden Wahnbefürchtungen und demzufolge schaute man Sonnen- und Mondfinsternisse, Erdbeben und Überschwemmungen und anderen erschütternden Naturereignissen mit grosser Beängstigung und Verunsicherung entgegen. Zur Abwendung des Schadens solcher Ereignisse suchte man in Radolfzell aber ehr die Zuflucht zum Gebet. Zwar ist von Hexenverfolgungen in Radolfzell nichts Näheres bekannt, doch scheint der Name, des in der Radolfzeller Stadtgeschichte wiederholt erwähnten, Hexenturms wohl seine entsprechende Geschichte zu haben. Einer weiteren, eher zutreffenden Erklärung zufolge, bedeutet grien soviel wie Kies-, Geröll- oder Sandlager und erinnert somit an die einstige Beschaffenheit des Gebiets um den Grienen Winkel. Die Materialien wurden durch den damals, mit seinem Ufer bis an diese Stelle reichenden Bodensee angespült. Durch die umfangreichen Aufschüttungen, welche im Rahmen der Erbauung der Bahnlinie von Waldshut nach Konstanz ab dem Jahr 1860 erfolgten, wurde das Ufer des Bodensees weit von seinem ursprünglichen Verlauf verdrängt. Für die Erbauung der Bahnlinie entlang des Ufers, entschied man sich wegen des damals erheblichen Schiffsverkehrs auf dem Untersee. Nur so war ein schneller und einfacher Umschlag der Güter zwischen Bahn und Schiff zu garantieren. Der erste Zug auf der Bahnstrecke Waldshut nach Konstanz fuhr am 13.06.1863.


Der dreigeschossige Hexenturm, welcher später auch Griener Turm genannt wurde befand sich direkt an der Festungsmauer zwischen dem viergeschossigen Obertor und dem ebenfalls dreigeschossigen, etwas niedrigeren Pulverturm. Die Anfänge der Radolfzeller Stadtbefestigung gehen auf den Beginn des 12. Jahrhundert zurück, wobei die Ursprünge der Altstadtbebauung bis ins 9. Jahrhundert zurückreichen. In den Jahren bis 1267 wurde Radolfzell mit zahlreichen Türmen und Toren, Mauern, Wall und Graben befestigt. Die Befestigung bestand aus vier grösseren Toren - dem Seetor später Dammtor genannt, dem Obertor, dem Untertor welches auch Mühlentor genannt wurde, und dem Höll- oder Burgtor welches bereits Mitte des 16. Jahrhunderts niedergelegt wurde. Von den sieben grösseren, im Rahmen der Stadtbefestigung erbauten Türmen sind 3 noch bis heute erhalten - der im Jahr 1470 erbaute Höllturm - ein runder Geschützturm, der im Rahmen einer Erweiterung der Stadtbefestigung in den Jahren 1683 - 1685 erbaute Schützenturm - ein Schalenturm welcher auch Salzmann genannt wurde und der Pulverturm - ein Rundturm welcher auch Rondellturm genannt wurde. Die Türme und Tore der Stadt waren damals durch einen an der Innenseite der Stadtmauer befindlichen, durchgehenden Wehrgang aus einem Holzgerüst miteinander verbunden. Die Wehranlagen mussten im laufe der Zeit zahlreichen Kriegen wie z.B. dem Schweizer Krieg 1499, dem Bauernkrieg 1524 -1525 und dem 30-Jährigen Krieg 1618 -1648 standhalten. Die Instandhaltung der Wehranlagen war für die Radolfzeller jeher ein kostspieliges und aufwendiges Unterfangen.


In unmittelbarer Nähe des Hexenturms befand sich jenseits des Stadtgrabens das Kloster der Kapuziner. Es wurde 1625 - 27 erbaut, Ende 1632 durch die schwedisch-württembergische Besatzung niedergerissen und 1659 - 60 wieder aufgebaut. Das Kloster bestand aus einer Kirche und zwei Wohngebäuden. Die endgültige Aufhebung des Kapuzinerklosters erfolgte im Jahr 1826.

Da der alte Hafen schon einige Jahre sehr schadhaft gewesen war, wurden im Jahr 1806 mehrere Tore und Türme der Stadt niedergerissen, um deren Überreste zum Bau einer neuen Hafenanlage im See zu versenken. Man wollte aus den Überresten einen Damm gegen das, bei schlechter Witterung, unbändige Wasser errichten und erhoffte sich hierdurch eine gewisse Erleichterung beim be- und entladen der Schiffe im Hafen.


Das zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war in Radolfzell von Seuchen unter Mensch und Tier, erheblichem Hagelschlag, Misswuchs bei Korn und Wein, und nach dem besonders schlechten Jahr 1816, auch noch von einer beispiellosen Überschwemmung im Jahr 1817, welche von einer Hungersnot gefolgt war, geprägt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden weitere Teile der mittelalterlichen Befestigungsanlagen abgetragen. Der Abbruch des viergeschossigen Obertors in welchem zeitweise auch die Dienstwohnung des Torwärters untergebracht war, wurde am 27.01.1870 vom Bürgerausschuss der Stadt Radolfzell beschlossen, am 21.02.1870 bekannt gegeben und im Oktober desselben Jahres vollzogen.


Der Hexenturm beim Grienen Winkel wurde bereits 1825 abgebrochen. Er befand sich an der Stelle, an welcher sich heute der Durchgang zwischen dem Grienen Winkel und dem Stadtgarten befindet. Der Stadtgarten entstand 1924 auf der Fläche des ehemaligen Stadtgrabens. Der Stadtgraben war früher durch die zeitweise zugemauerte Brücke am Obertor in zwei Teile getrennt, wobei der südliche Teil, welcher mitunter als Gemüsegarten genutzt wurde, durch die Stadt erworben wurde. Der nördliche Teil der sog. Lochgarten wurde 1922 vom damaligen Generaldirektor der Pumpenfabrik Gotthard Allweiler AG bei seiner Ernennung zum Ehrenbürger, unter der Bedingung Ihn niemals zu veräussern und den sich auf dem Gelände befindlichen Höllturm nicht abzureisen, der Stadt geschenkt.


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